Hans Winterberg

23. März 1901 – 10. März 1991

Hans Winterberg

Hans (Hanuš) Winterberg entstammte einer Prager jüdischen Familie. Er wurde 1901 geboren, erhielt Klavierunterricht bei Therèse Wallerstein und studierte an der Deutschen Musikakademie in Prag u.a. bei Alexander Zemlinsky sowie am (tschechischen) Prager Staatskonservatorium bei Alois Hába. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit Korrepetition und Komposition.

1930 heiratete Winterberg die deutsch-tschechische Pianistin und Komponistin Maria Maschat, 1935 kam die Tochter Ruth zur Welt. Der Einmarsch der deutschen Truppen in Tschechien 1939 veränderte die Lebenssituation schlagartig. Mutter und Tochter erhielten die deutsche Staatsbürgerschaft, ab 1942 lebte die Familie getrennt.

1944 wurde die Ehe „im Sinne des Reichsehegesetzes“ geschieden. Winterberg wurde nach Theresienstadt deportiert. Seine Mutter war bereits 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet worden – wie die meisten seiner näheren Verwandten.

Am 8. Mai 1945 wurde er befreit und kehrte nach Prag zurück, wo er feststellen musste, dass Maria Maschat und Ruth aufgrund der Beneš-Dekrete nach Deutschland ausgewiesen worden waren. Hans Winterberg, der weiterhin die tschechische Staatsbürgerschaft besaß, beantragte einen Pass, um seine bei seiner Frau verbliebenen Manuskripte zurückzuholen. 1947 kam er nach Deutschland und entschloss sich wohl wegen der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei, dort zu bleiben. Winterberg erhielt Arbeit als freier Mitarbeiter beim Bayerischen Rundfunk und unterrichtete am Richard Strauss Konservatorium in München. Ab 1969 widmete er sich ganz der Komposition und lebte zurückgezogen in Bad Tölz.

Winterberg ist einer der wenigen jüdisch-tschechischen Komponist*innen der Nach-Janáček-Generation, die den Nazi-Terror überlebt haben. Formal orientiert Winterberg sich an der Klassik, klanglich und harmonisch sind die Einflüsse der Janáček-Schule und der tschechischen Volksmusik deutlich spürbar. Polyrhythmik und Polytonalität sind wesentliche Elemente, aber auch andere musikalische Strömungen spielen eine Rolle, von Zemlinsky über Bartók bis zur Zweiten Wiener Schule und zum Jazz. Aus all diesen Einflüssen entwickelte Winterberg einen ganz eigenständigen, unverwechselbaren Stil. Seine Kompositionen wurden zu Lebzeiten aufgeführt und für den Rundfunk aufgenommen, allerdings nie verlegt.

Die Ehe mit Maria Maschat hielt in Deutschland nicht lange. Winterberg war danach noch drei weitere Male verheiratet, in letzter Ehe mit Luise-Maria, die aus dem Sudetenland stammte. Winterberg adoptierte auch ihren Sohn Christoph, dessen leiblicher Vater bei der SS war. Nach dem Tod von Hans Winterberg im Jahr 1991 verkaufte dieser Adoptivsohn den Nachlass an das Sudetendeutsche Musikinstitut. Aufgrund einer obskuren Vereinbarung sollte der Nachlass bis 2031 gesperrt und sämtliche Auskünfte über die Familie untersagt bleiben.

Erst durch das Engagement seines einzigen leiblichen Enkels Peter Kreitmeir und Dank der Unterstützung von Randol Schoenberg sowie des Exilarte-Zentrums an der mdw Wien konnte diese Regelung aufgehoben und Winterbergs Werk der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Seit 2021 wird es nun im Verlag Boosey&Hawkes sukzessive editiert.

Links

Exil.arte – Zentrum für verfolgte Musik

Nachlass Hans Winterberg

Michael Haas: The Winterberg Puzzle’s Darker and Lighter Shades

Zur Notenedition bei Boosey&Hawkes

Einführungstext von Michael Haas zum Winterberg-Projekt

Peter Kreitmeir: Das Winterberg-Puzzle